18 junge Journalistinnen und Journalisten der Henri-Nannen-Schule recherchierten eine Woche auf Pellworm. Sie suchten Antworten auf die Frage: Was macht die Klimakrise mit einem Ort, der jetzt schon einen Meter unter dem Meeresspiegel liegt?
Wir waren wegen der Klimakrise nach Pellworm gekommen. Es heißt, die Insel sei bereits jetzt von den Folgen der Erderwärmung betroffen – und werde es noch viel stärker sein, weil der Meeresspiegel steigt, Stürme zunehmen und Starkregen Pellworm fluten könnte wie eine Badewanne.
Doch vor Ort fanden wir heraus: Das größte Problem auf Pellworm ist nicht der Meeresspiegel, sondern die Gans.
Zehntausende Nonnengänse überwintern hier von Oktober bis Mai, fressen die Felder leer und hinterlassen tonnenweise Kot. Es werden immer mehr und sie bleiben immer länger, weil milde Winter den Weiterflug nach Süden überflüssig machen. Für die Bauern sind die Gänse eine existenzielle Bedrohung – gegen die sie kaum etwas unternehmen können. Denn die Tiere stehen unter Schutz und dürfen nicht gejagt werden. Landwirtschaft, Naturschutz und Klimawandel sind in kaum lösbarer Weise verschlungen auf Pellworm.
Und keine Geschichte ist so einfach, wie sie zunächst erscheint.
Wir waren auch wegen Corona nach Pellworm gefahren, weil die Insel die Pandemie vorbildlich gemeistert hat. Wir haben die Idylle gesucht und die Chance, nach anderthalb Jahren im Homeoffice wenigstens einmal zusammen zu sein als Klasse.
Wir radelten auf Straßen, ohne jemals angehupt zu werden, wir streichelten Schafe auf dem Deich, in einem Restaurant zeigte uns der Besitzer spontan, wie man Krabben pult. Und alle Türen auf der Insel öffneten sich uns und wir schauten in freundliche Gesichter.
Ja, wir haben sie gefunden, die nordfriesische Idylle. Und wir sind sehr dankbar für die Offenheit, mit der uns alle begegnet sind.
Doch auch diese Geschichte ist nicht so einfach.
Auf Pellworm finden sich auch die Konflikte unserer Zeit. Die Insel darf aktuell kein Geld ausgeben, weil sie es nicht schafft, einen Haushalt zu verabschieden; die politischen Fraktionen sind zerstritten und legen die Lokalpolitik lahm. Junge Pellwormer:innen haben das Gefühl, ihre Stimme zähle auf der Insel nichts. Die Immobilienpreise sind zuletzt um 40 Prozent im Jahr gestiegen. Die Energiewende, die wenigstens hier gelingen könnte, scheitert still. Und die Infrastruktur ist auf ganz elementare Art brüchig: Was tun, wenn der einzige Inselarzt kündigt oder der einzige Bäcker in Rente geht? Die meisten Fragen hier gehen alle etwas an. Und alle, die wir trafen, wussten zu den Problemen viel zu sagen. Wo jede:r jede:n kennt, ist niemand unpolitisch.
Pellworm, so lernten wir, ist viel mehr als eine Insel im Watt, sie ist ein Brennglas für die Themen, die ganz Deutschland bewegen: demografischer Wandel, Wohnungsnot, Umweltschutz in Zeiten der Klimakrise. Umschlossen vom Deich gibt es keine Möglichkeit, den Konflikten auszuweichen.
Wir waren mittendrin, um von ihnen zu erzählen.
Video: Laura Binder