DER LEHRGANG

18 junge Journalistinnen und Journalisten reisten für eine Woche nach Pellworm.
Sie sind der 39. Lehrgang der Henri-Nannen-Schule aus Hamburg.
Zwischen Watt und Schafen, Landwirt:innen und Krabbenfischern,
Unterkunft und Schlemmerimbiss wollten sie herausfinden:
Was macht die Klimakrise mit einem Ort, der bereits
jetzt einen Meter unter dem Meer liegt?
Eine von 18 kannte die Insel schon.
18 von 18 standen am Ende
wehmütig auf der Fähre.

Hasst Wind. Auf Pellworm: Wind, Wind, Wind. Wind kommt beim Radfahren immer von vorne. Ffffffffffff, so macht Wind. Wind fetzt, fegt und friemelt einem ins Gesicht. Wind. Wind wird man nicht los. Wind. Wind. Ffffffffff. Wind.

Konnte ein Schaf streicheln und hat sich die Füße im Watt an den Muscheln wund gelaufen. Fand dafür ein Stück Perlmutt und lernte abends im Hafenstübchen, wie nordfriesische Entspannung funktioniert: Schnacken und „Zaubermische“.

Musste auf einer Fahrradtour den Kot-Attacken eines vorbeifliegenden Gänseschwarms ausweichen. Besonders in Erinnerung bleibt aber eine fahrende Treppe in Heinis Hinterhof – mit einem Akkuschrauber als Motor.

Fiel bei einem Ausweichmanöver mit dem Fahrrad ins Schilf und kam von allein nicht mehr aus dem Graben. Sprang einen Tag später auf der Flucht vor vier Rindern in einen Güllebach. Hat vorerst genug von Abenteuern.

Machte während der Zeit auf Pellworm mehr Fotos von Schafen als von Menschen. Erhielt den ersten Informanten-Anruf ihres Lebens und lernte: Investigativer Journalismus ist eigentlich auch nur Dorfklatsch und Dokumente.

Ist grundsätzlich in großer Sorge wegen des Insektensterbens. Hatte dazu auf Pellworm aber weniger Anlass, die Stubenfliegendichte war hoch. Trägt auch noch ein Andenken an die Woche herum: 14 Fliegenschisse auf dem rechten Turnschuh.

Radelte am Freitagabend um halb elf um die halbe Insel, um noch irgendwo ein Feierabendbier zu finden. Vergeblich. Alle Kneipen und Restaurants hatten schon zu – seit 21 Uhr. Schätzt die Großstadt nun umso mehr.

War noch nie an der Nordsee, fürchtet sich vor Fischen, hasst Matsch. Der erste Schritt ins Wattenmeer: Hölle. Schwor sich vor der Recherche, niemals ins Wasser zu gehen. Ging trotzdem baden – nach viel Haselnussschnaps. War gar nicht so übel.

Sah Gabor Steingart beim Fischimbiss am Hafen. Ärgert sich, dass er ihn nicht angesprochen hat. Freute sich auf den Videodreh auf der Fähre. Bis er erfuhr, dass er 15 Stunden lang zwischen Pellworm und Nordstrand hin- und herfahren muss.

Findet die Ostsee immer noch besser, weil die nicht wegläuft. Hat sich aber von Krabbenfischern überzeugen lassen, dass die Nächte auf der Nordsee nach Freiheit riechen. Und beim Schwimmen bei Vollmond gemerkt: stimmt.

Kann gut verstehen, warum Kühe auf Pellworm Sommerurlaub machen. Fährt nächstes Jahr trotzdem lieber an einen Ort mit Strand. Magischster Moment: Meeresleuchten an der Badestelle sehen und wie ein Kind staunen.

Umrundete die Insel (ja, die ganze!) in 5 Stunden und 33 Minuten. Ging bei Flut los und kam bei Ebbe an. Hat sich noch nie so respektiert gefühlt wie mit einem Wanderstock. Wünscht sich jetzt nur noch einen Hut, um ihn zum Gruß zu lüften.

Wollte eigentlich auf den Leuchtturm, erklomm stattdessen die Gondel eines Windrads: mit Helm und Klettergurt, die meisten Höhenmeter jedoch im Aufzug. Fühlte sich als Norddeutsche im Watt zu Hause, obwohl sie dreckige Füße nicht mag.

War als Kampfradler, der vor allem die Berliner und Hamburger Straßen kennt, auf Pellworm im siebten Himmel: kaum Autos, keine Ampel und niemand hat gehupt. Hätte nie gedacht, dass eine Gans eine ganze Insel beschäftigen könnte.

Paukte auf der Insel Plattdeutsch. Weiß jetzt, dass die Pellwormer Schietbüttel zu kleinen Frechdachsen sagen und ihr Müsli mit dem „Löbbel ut de Schöttel” essen. Und überlegt, ostwestfälisches Platt zu lernen. Von seiner Oma.

Hat das erste Mal in ihrem Leben ungeschälte Krabben gesehen und gleich vom Hafenbuden-Chef gelernt, wie man sie pult. Dauert lange, ist aber meditativ. Nach zwei Wochen Projektarbeit ist sie nun reif für das Krabbenpul-Retreat.

Kletterte mit dem Deichgraf über Stacheldraht und zerlöcherte dabei ihre Jeans. Sagt nach einer Woche Insel immer noch PELLworm statt PellWORM. Findet es toll, dass sich dort alle grüßen. Schaut in Hamburg trotzdem lieber aufs Handy.

Weiß jetzt mehr über Schafe und Deiche als über den Kaffee, den sie während des Projekts massenhaft in sich hineinschüttete. Verrücktester Schaf-Fakt: Im Sommer werden die Lämmer von ihren Müttern getrennt, damit sie diese nicht decken.

Alle Fotos von Laura Binder, bis auf ihr eigenes. Das machte Marvin Ku.